OGH vom 27.06.2016, 10 Ob 89/15h (Schadenersatzrecht)

Schmerzengeld von € 90.000,– wegen Leidenszustände, die aus dem Wissen des Geschädigten um seine verringerte Lebenserwartung resultieren, sofern selbstbestimmte Lebensgestaltung noch möglich.

1.) Sachverhalt:

Der Kläger wurde am 29. 8. 2010 in einem Krankenhaus, dessen Rechtsträger die beklagte Partei ist, wegen intensiver Schmerzen der linken Schulter behandelt. Die erstellte Diagnose (atraumatische Schulterschmerzen) war fehlerhaft. Es lag ein akutes Koronarsyndrom vor, das drei Tage später zu einem Herzinfarkt und zu einer irreversiblen Schädigung des Herzens des Klägers führte. Als Folge der Fehlbehandlung traten in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Herzinfarkt fünf Tage starke und 16 Tage mittelstarke Schmerzen auf. Im Verlauf eines typischen Tages sind beim Kläger seitdem leichte körperliche Schmerzen und Herzstolpern bei körperlicher Belastung mit einer Dauer von 8 Stunden pro Tag anzunehmen sowie mittelgradige Schmerzen mit Atemnot und Beklemmung mit einer Dauer von weiteren 8 Stunden. Die körperliche und psychische Leistungsfähigkeit ist erheblich eingeschränkt und gegenüber einer gesunden Person um mindestens 50 % reduziert. Der Kläger leidet an Existenzängsten und depressiven Verstimmungszuständen und befand sich nach dem Vorfall zeitweise in ambulanter fachärztlicher Betreuung. Die weitere Prognose ist ungünstig.  […] Die statistische Lebenserwartung ist erheblich reduziert. […]

Der Kläger begehrte zuletzt Schmerzengeld von (weiteren) 150.000 EUR sA und brachte vor, an psychischen Beeinträchtigungen im Sinn einer Anpassungsstörung sowie an Angst und depressiven Reaktionen zu leiden.

2.) Entscheidungsbegründung:

Im vorliegenden Fall wurde die Verringerung der Lebenserwartung von den Vorinstanzen nicht als Grundlage dafür herangezogen, bei der Globalbemessung des Schmerzengeldes für den Kläger Zeiten nach dem voraussichtlichen Tod des Klägers einzubeziehen. Berücksichtigt wurden vielmehr die Leidenszustände, die aus dem Wissen um die verringerte Lebenserwartung resultieren. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin widerspricht es nicht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, derartige psychische Beeinträchtigungen bei der Bemessung zu berücksichtigen (vgl Rechspanorama vom 27.6.2016).

n Anbetracht der Gesamtsituation des Klägers erscheint dem erkennenden Senat ein Schmerzengeld von 90.000 EUR als angemessen. Abzüglich der bereits geleisteten Zahlung von 50.000 EUR sind ihm daher aus diesem Titel weitere 40.000 EUR zuzusprechen.