OGH 9 ObA 106/15a

1.) Die Kündigung eines Angestellten (nur) wegen Erreichen des Zeitpunktes der vorzeitigen Alterspension ist eine unmittelbare Altersdiskriminierung iSd § 20 Abs. 3 GlBG.

2.) Eine Rechtfertigung durch ein legitimes Ziel ist möglich. Der Dienstgeber (hier: offenkundig ORF) muss ein Gesamtkonzept für einen Personalabbau substantiiert behaupten und nachweisen. Auch wirtschaftliche Umstände können eine Ungleichbehandlung nicht schlichtweg rechtfertigen.

A.) Sachverhalt:

Der Dienstgeber kündigte das Dienstverhältnis zunächst zum Zeitpunkt des Erreichens der Korridorpension (8/2011), dann (8/2012) eventual zum Zeitpunkt des Erreichens der vorzeitigen Alterspension, dann eventual zum Zeitpunkt der Regelpensionsalters (1/2014) aus. Nur die letzte Kündigung blieb unangefochten. Der Dienstnehmer erhielt bei Kündigung eine Abfertigung von 8 Monatsentgelten, das sind 2 Monate über die gesetzliche Abfertigung hinaus. Vom Beklagten werden Dienstnehmer grundsätzlich mit Erreichung des Korridorpensionsalters gekündigt, sofern ein Pensionsanspruch besteht. Da der Kläger diese erste Kündigung erfolgreich angefochten hat, erfolgte eine weitere Kündigung zu dem Stichtag, zu dem der Kläger einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hatte. Diese ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Das Erstgericht gab der Klage statt und hob die angefochtene (2.) Kündigung als diskriminierend auf.

B.) Entscheidungsbegründung:

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Regelung oder eine Maßnahme eines einzelnen Dienstgebers, die die Kündigung eines Dienstnehmers vor Erreichung des Regelpensionsalters vorsieht, schon deshalb sozial gerechtfertigt ist, weil der Dienstnehmer Anspruch auf eine Korridorpension oder eine Pension bei langer Versicherungsdauer hat. Vielmehr läuft ein solcher „erzwungener“ Pensionsantritt dem seit vielen Jahren verfolgten sozialpolitischen Ziel der Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters zuwider. Voraussetzung dafür, eine Altersdis-kriminierung zu verneinen, ist, dass das Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich ist. Das ist für den vorliegenden Fall zu verneinen. Bereits in der Entscheidung 9 ObA 113/12a wurde darauf verwiesen, dass zu prüfen ist, inwieweit die Kündigung älterer Dienstnehmer Teil eines konkreten Gesamtkonzepts des Arbeitgebers ist, aus dem sich gerade das Erfordernis der Kündigung des Klägers ableiten lässt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es der sozialen Gestaltungspflicht im Rahmen von Kündigungen entspricht, wenn das einzige Kriterium zur Auswahl der Kündigung dasjenige ist, nur Personen zu kündigen, die einen Pensionsanspruch haben, wobei nicht auf das Regelpensionsalter abgestellt wird, sondern auf einen Anspruch auf Korridorpension oder auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer, also nur ein mit Abschlägen verbundener Pensionsanspruch. Zwar hat der Beklagte zusätzlich – wenn auch ohne Konkretisierung –vorgebracht, dass in jedem Einzelfall eine soziale Abwägung vorgenommen wird. Dessen ungeachtet erschöpft sich das Konzept zum Personalabbau selbst nach dem Vorbringen des Beklagten darin, dass gezielt alte, weil teure Arbeitnehmer bei Pensionsanspruch abgebaut werden. Das entspricht aber nicht einem Gesamtkonzept, das die Interessen aller, auch älterer Arbeitnehmer ausgewogen berücksichtigt. Beispielsweise wäre in die Überlegungen einzubeziehen, inwieweit jüngere Arbeitnehmer auf die Arbeitsstelle angewiesen sind, etwa im Hinblick darauf, ob sie im Fall einer Kündigung nicht ohnehin rasch eine gleichwertige Arbeitsstelle finden könnten.Der Kläger wurde daher aufgrund einer generellen altersdiskriminierenden Maßnahme gekündigt, nicht aufgrund der schlechteren sozialen Situation anderer. Diese Vorgangsweise kann auch nicht mit dem Erhalt des Ö***** als öffentlich-rechtliche Anstalt gerechtfertigt werden, da auch in diesem Fall das gewählte Mittel, die ausschließliche Kündigung älterer Arbeitnehmer zur Senkung der Personalkosten, nicht als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Ziels angesehen werden kann. Da somit im vorliegenden Fall kein Ausnahmetatbestand nach § 20 Abs 3 GlBG vorliegt, war dem Rekurs des Klägers Folge zu geben und die klagestattgebende erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.