OGH 16.12.2016, 8 ObA 72/16w

Die Inanspruchnahme von Ersatzkarenz bedeutet keinen Verzicht auf den gesetzlichen Elternteilzeitanspruch.

1.) Sachverhalt:
Die Klägerin nahm nach der Geburt ihrer Zwillinge am 24. 1. 2013 (zunächst) ein Jahr Karenz in Anspruch. Mit Schreiben vom 8. 1. 2014 teilte sie dem beklagten Arbeitgeber mit, dass sie (bis zum Ablauf des 7. Lebensjahres der Kinder) Elternteilzeit in Anspruch nehmen wolle. Der Arbeitgeber lehnte dies ab. Auch bei einem darauffolgenden Gespräch (nach dem Inhalt des § 15k Abs 1 MSchG) wurde keine Einigung über die Elternteilzeit erzielt. Der Beklagtenvertreter wies die Klägerin darauf hin, dass sie innerhalb einer Woche bekanntgeben könne, dass sie anstelle der Teilzeitbeschäftigung bis zur Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichts, längstens bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres der Kinder, Karenz in Anspruch nehme. Der Arbeitgeber beabsichtigte, ein entsprechendes arbeits- und sozialgerichtliches Verfahren (§ 15k Abs 2 und 3 MSchG) einzuleiten (unterließ dies in der Folge aber). Am 23. 1. 2014 teilte die Klägerin dem Arbeitgeber mit, dass sie von einer Karenzverlängerung bis zum Ablauf des 23. 1. 2015 Gebrauch machen möchte. Der Beklagtenvertreter erwiderte, dass die Karenz mit der Entscheidung der vom Arbeitgeber zu führenden arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung begrenzt sei. Mit E-Mail vom 26. 1. 2014 teilte die Klägerin mit, dass sie anstelle einer Teilzeitbeschäftigung die Karenz bis zum zweiten Geburtstag der Kinder in Anspruch nehme (§ 15m Abs 1 Z 1 MSchG). Mit Schreiben vom 28. 1. 2014 nahm der Beklagtenvertreter dieses Begehren zur Kenntnis. Ab diesem Zeitpunkt ging er davon aus, dass der Klägerin kein Anspruch auf Elternteilzeit mehr zustehe. Mit Schreiben vom 30. 8. 2014 machte die Klägerin den Anspruch auf Elternteilzeit (vom 24. 1. 2015 bis 23. 1. 2020) geltend. Dies wurde vom Arbeitgeber abgelehnt (ein Verfahren nach § 15k MSchG leitete der Arbeitgeber in der Folge jedoch nicht ein). Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass sie berechtigt sei, mit Wirkung ab 24. 1. 2015 Elternteilzeit zu bestimmten, konkret formulierten Bedingungen beim beklagten Arbeitgeber anzutreten. Der Arbeitgeber bestritt das Klagebegehren mit der Begründung, die Klägerin habe mit Inanspruchnahme der Karenzverlängerung nach § 15 Abs 1 Z 1 MSchG auf ihren Elternteilzeitanspruch verzichtet, weshalb auch kein Einigungsversuch nach § 433 Abs 1 ZPO nötig gewesen sei. Das Erstgericht gab der Klage statt. Der OGH bestätigte wie das Berufungsgericht die Klagsstattgabe.

2.) Entscheidungsbegründung:
Bei einem Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung obliegt es dem Dienstgeber, bei Nichteinigung fristgerecht das Gericht anzurufen, widrigenfalls das Verlangen der Dienstnehmerin als akzeptiert gilt. Erklärt die Dienstnehmerin, aufgrund der Nichteinigung nunmehr in Ersatzkarenz zu gehen, so wechselt sie (an Stelle eines Gerichtsstreits) in die Karenz. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist dies gleichbedeutend mit der Erklärung, den Antrag auf Teilzeitbeschäftigung angesichts des erforderlichen Rechtsstreits zurückzunehmen. Eine darüberhinausgehende Wirkung ist nach dem Gesetz damit nicht verbunden. Dies bedeutet, dass der Dienstnehmerin alle Ansprüche und Rechte, die ihr nach anderen Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zur Verfügung stehen, auch weiterhin gewahrt bleiben. Bei einem Wechsel in die Ersatzkarenz nach § 15m Abs 1 Z 1 MSchG handelt es sich nicht um eine Verlängerung der Karenz nach § 15 MSchG. Ein solcher Wechsel in die Ersatzkarenz ist ohne gerichtliches Verfahren (hier nach § 15k MSchG) möglich. in solcher Wechsel in die Ersatzkarenz ist daher erzicht auf den Anspruch auf Elternteilzeit, weil Elternteilzeit im vorliegenden Fall nicht einmal einen Tag in Anspruch genommen wurde.

Dr. Guido Bach > Rechstanwalt für Arbeitsrecht in Wien