OGH 9 ObA 119/17s:

1.) Ein Arbeitgeber unterbreitete am 30.10.2013 7 von 119 Arbeitnehmern Angebote zur einvernehmlichen Auflösung ihrer Dienstverhältnisse. Ein Arbeitnehmer nahm das Angebot am 12.11.2013 an, die restlichen 6 nicht. In der Folge kündigte die Beklagte – jeweils nach vorhergehender Verständigung des Betriebsrats – am 28. 11.2013 2 Arbeitnehmer und am 19. 12. 2013 den Kläger und von 3 weitere Arbeitnehmer.

2.) Gemäß § 45a (1) Z 2 AMFG haben Arbeitgeber die nach dem Standort des Betriebs zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice durch schriftliche Anzeige zu verständigen, wenn sie beabsichtigen, Arbeitsverhältnisse von mindestens 5 % der Arbeitnehmer in Betrieben mit 100 bis 600 Beschäftigten innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen aufzulösen. Die Anzeige ist mindestens 30 Tage vor der ersten Erklärung der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu erstatten („Frühwarnsystem“). Kündigungen, die eine Auflösung von Arbeitsverhältnissen bezwecken, sind rechtsunwirksam, wenn sie vor Einlangen der Anzeige beim Arbeitsmarktservice ausgesprochen werden.  Hervorzuheben ist, dass die Verständigungspflicht nach dem klaren Wortlaut des § 45 Abs 1 AMFG schon dann ausgelöst wird, wenn ein Arbeitgeber beabsichtigt, eine den jeweiligen Schwellenwert überschreitende Anzahl von Arbeitsverhältnissen innerhalb von 30 Tagen aufzulösen.

3.) Die Absicht der Beklagten, mehr als 5% des Personals bzw 5,95 Arbeitsverhältnisse innerhalb von 30 Tagen aufzulösen, hat sich damit schon mit der Unterbreitung (des letzten) dieser Angebote, nicht erst mit den nachfolgenden Kündigungen manifestiert. Die Absicht zur Beendigung der Dienstverhältnisse von sieben Mitarbeitern innerhalb von 30 Tagen ist hier daher schon mit den zwischen 30. 10. 2013 und Anfang November 2013 unterbreiteten einvernehmlichen Angeboten auszumachen. Ausgehend davon, dass sich die Absicht der Beklagten, innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen die Dienstverhältnisse von (mindestens) sieben Mitarbeitern zu beenden, bereits in den Angeboten zu den einvernehmlichen Auflösungen widerspiegelte, hätte die Beklagte ihrer Anzeigepflicht nach § 45a Abs 1 AMFG zu entsprechen gehabt. Die Kündigung des Klägers wurde danach zutreffend iSd § 45a Abs 5 Z 1 AMFG für rechtsunwirksam erklärt. Die Beklagte berief sich im Verfahren auch auf die Rechtsprechung, dass die 30-tägige Frist des § 45a Abs 1 AMFG kontinuierlich wandert und der Arbeitgeber daher durch die zeitliche Streuung von Kündigungen das Erreichen des Schwellenwerts der genannten Bestimmung verhindern kann. Davon ist dann auszugehen, wenn die Streuung der Kündigungen über einen längeren als 30-tägigen Zeitraum schon in der ursprünglichen Absicht des Dienstgebers zur Beendigung der Dienstverhältnisse lag, nicht aber, wenn sich die Kündigungserklärungen entgegen seiner ursprünglichen Intention – etwa infolge längerer Bemühungen um den Erhalt der Arbeitsplätze – faktisch über einen längeren Zeitraum erstrecken, würde doch sonst der genannte Zweck des Frühwarnsystems verfehlt, schon die Absicht eines Dienstgebers, innerhalb kurzer Zeit eine arbeitsmarktpolitisch relevante Zahl von Arbeitnehmern freizusetzen, zum Anlass von Vorkehrungen zu nehmen.