OGH 20.3.2015, 9 ObA 23/15w = ecolex 8/2015, 696 ff

Ein „undifferenziertes generelles Planquadrat“ im Betrieb ohne Betriebsvereinbarung ist unzulässig.

1.) Sachverhalt:

Neben dem gesetzlich verankerten Alkoholverbot für Betriebsbedienstete und diesem Rechnung tragenden Vorschriften in den AVB und Dienstvorschriften wurde mit einem an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten gerichteten Schreiben ein generelles Alkoholverbot ausgesprochen. In diesem Schreiben wurde ausdrücklich festgehalten, dass ab sofort für das gesamte Unternehmen der Standard von 0,0 Promille im Dienst gelte. Der Betriebsrat erkannte die Wichtigkeit der Einhaltung des Alkoholverbots für das Unternehmen und die Sicherheit der Belegschaftsmitglieder an. Trotz der gesetzlichen und innerbetrieblichen Vorschriften kommt es vor, dass Arbeitnehmer gegen das Alkoholverbot verstoßen. Im September 2013 wurde ein Triebfahrzeugführer im Dienst erheblich alkoholisiert angetroffen und dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen. Am 29. 4. 2014 wurden an den Betriebsstätten der Beklagten Alkoholkontrollen mittels eines Atemluft-Vortestgerätes unter den Mitarbeitern aus allen Bereichen und Tätigkeitsfeldern durchgeführt. Die Arbeitnehmer wurden angewiesen, diese Atemluftkontrolle durchzuführen. Die Überprüfung erfolgte ohne äußeren Anschein des Verdachts einer Alkoholisierung. Eine Betriebsvereinbarung gemäß § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG hinsichtlich der Durchführung von Alkoholkontrollen im Betrieb der Beklagten liegt nicht vor. Der Betriebsrat hat diesem „Planquadrat“ zuvor nicht seine Zustimmung erteilt und danach dagegen Protest erhoben.

2.) Entscheidungsbegründung:

Ein „Planquadrat“ im Betrieb bei Alkoholverbot ist unzulässige, weil eine solche Maßnahme eine die Menschenwürde berührende Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs. 1 Z 1 ArbVG iVm § 16 ABGB darstellt. Es handelt sich um einen Fall notwendiger Mitbestimmung des Betriebsrates in Form einer Betriebsvereinbarung. In Summe ergibt sich damit, dass bei einer Abwägung der wechselseitigen Interessen die Interessen der Arbeitnehmer an der Wahrung ihrer körperlichen Integrität und ihrer Privatsphäre die Interessen der Beklagten an einer undifferenzierten Kontrolle der Mitarbeiter durch einen Alkomattest überwiegen, wenn er unangekündigt, ohne Einwilligung der Mitarbeiter, ohne besondere Verdachtslage und unabhängig davon durchgeführt wird, ob eine Alkoholisierung die konkrete Tätigkeit eines Mitarbeiters zu beeinflussen geeignet ist und ob durch die Tätigkeit eine Gefährdungslage für den Mitarbeiter oder andere Personen geschaffen wird. Eine solche Kontrollmaßnahme berührt die Menschenwürde. Die einseitige konsenslose Kontrollmaßnahme der Beklagten ist in dieser Allgemeinheit daher rechtswidrig und unzulässig.

Rechtsberatung, Dr. Guido Bach > Arbeitsrecht in Wien